Zwei neue Studien zeichnen ein alarmierendes Bild: Eine belegt stark wachsende Ausländerfeindlichkeit, die andere zeigt, dass die wahren Haltungen gegenüber Frauen in Führungspositionen deutlich negativer sind als es übliche Umfragen erscheinen lassen.
Eine neue Studie der Universität Düsseldorf quantifiziert erstmals den Faktor „soziale Erwünschtheit“ für Umfragen zum Thema Frauen in Führungspositionen. Die Forscher fanden heraus, dass die wahre Haltung zu diesem Thema weniger positiv ausfällt als übliche Befragungen vermuten lassen. Diese Erkenntnis rückt nicht nur viele Diversity-Studienergebnisse – auch Mitarbeiterbefragungen – in ein neues Licht. Sie wirft möglicherweise auch einen deutlichen Schatten auf aktuelle Daten zur wachsenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland.
Was Menschen wirklich über Frauen im Management denken
Vorurteile gegen weibliche Führungskräfte sind weiter verbreitet als bisher angenommen, da TeilnehmerInnen an Umfragen zu sensiblen Themen mitunter unehrlich antworten. Das Ausmaß des im Grunde bekannten Phänomens der „sozialen Erwünschtheit“ quantifiziert eine neue Studie mittels einer indirekten Fragetechnik zur Erfassung der tatsächlichen Einstellungen von Befragten. Damit konnten sie zeigen, dass deutlich mehr Menschen Vorbehalte gegen weibliche Führungskräfte haben als direkte Fragen dies nahelegen, und zwar 37 Prozent anstatt 23 Prozent!
Doppelte Verschlüsselung entlarvt Frauen und Männer
Das fortgeschrittene Befragungsformat CrossWise beruht auf einer Zufallsverschlüsselung und garantiert den Befragten die Vertraulichkeit ihrer Antworten auf Fragen zu sensiblen Themen. Der Vergleich mit konventionell erhobenen Ergebnissen zeigt, dass Frauen mehr als Männer zu Antworten neigen, die von anderen vermeintlich eher akzeptiert werden. Gleichzeitig sind die Vorbehalte gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen im Management deutlich geringer als bei Männern. Die indirekte Befragungsmethode führte im Vergleich zur traditionellen zu folgenden Ergebnissen
- 28% der Frauen zeigten Vorbehalte (gegenüber 10%)
- 45% der Männer zeigten Vorbehalte (gegenüber 36%)
Wachsende, vielschichtige Ausländerfeindlichkeit
Die neuste Befragungswelle einer Langzeitstudie zur Ausländerfeindlichkeit in Deutschland zeigt, dass fast jeder dritte Deutsche ausländerfeindliche Positionen vertritt und die Abwertung einzelner Gruppen steigt. Die Forscher unterscheiden zwischen der Zustimmung zu einzelnen ausländerfeindlichen Aussagen (z. B. wahrgenommene Überfremdung durch Muslime, unterstellte Ausnutzung des Sozialstaates oder anti-jüdische Ansichten) und der sogenannten geschlossen manifesten Ausländerfeindlichkeit in Form einer konsequenten Zustimmung zu allen als ausländerfeindlich geltenden Aussagen. Diese hat von 2016 bis 2018 von 20,4 auf rund 24,1 Prozent zugenommen. Eine klar rechtsextreme Weltsicht haben aktuell sechs Prozent der BundesbürgerInnen. Obschon dieser Wert leicht gestiegen ist, liegt er unter dem Anteil vom Beginn der Längsschnittstudie im Jahr 2002 als er 9,7 Prozent betrug.
Ablehnung im Arbeitsmarkt, Ablehnung religiöser Minderheiten und Befürwortung rechtsautoritärer Diktaturen
Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2018 (vormals Mitte-Studie) gibt Einblicke in gesellschaftliche Grundhaltungen zu einer Reihe von Einzelaspekten:
- 36 Prozent der Deutschen stimmen der Aussage zu, dass Ausländer nur hierherkämen, um den Sozialstaat auszunutzen
- Über ein Viertel schickten Ausländer wieder „in ihre Heimat zurück“, wenn in Deutschland die Arbeitsplätze knapp würden
- Rund 36 Prozent halten die Bundesrepublik durch Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet
- Jeder Zehnte findet, dass „Juden etwas Besonderes an sich haben und nicht so recht zu uns passen“, zusätzlich stimmen dieser Aussage 20 Prozent latent zu
Studienautor Dr. Decker sieht damit „antisemitische Denkmuster nach wie vor in gefährlichen Größenordnungen“. Zugleich ist die Abwertung weiterer Gruppen, die als „fremd“ oder „abweichend“ wahrgenommen werden, angestiegen: Die Aggression gegen Sinti und Roma, AsylbewerberInnen und Muslimen nimmt kontinuierlich zu. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (2010 war es ein Drittel) fühlt sich durch die Zahl der Muslime als „Fremde im eigenen Land“. Zur Einordnung: 2009 gab es schätzungsweise 4,2 Mio Muslime in Deutschland, 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Mio und heute ca. 5 Mio.
Autoritäre Dynamiken als Schlüsselfaktor
Die Leipziger Studie erfasste in diesem Jahr autoritäre Persönlichkeitsmerkmale und kommt zu dem Schluss, dass Autoritarismus eine Hauptursache für rechtsextreme Einstellungen bildet. Menschen mit autoritärem Charakter neigen zu rigiden Ideologien, die es gestatten, sich gleichzeitig einer Autorität zu unterwerfen, an ihrer Macht teilzuhaben und die Abwertung anderer im Namen dieser Ordnung zu fordern. Rund 40 Prozent der Deutschen zeigen Merkmale eines autoritären Typus, nur 30 Prozent sind ausdrücklich demokratisch orientiert. Autoritäre Aggressionen sind bei 65 Prozent der Deutschen tiefgreifend ausgeprägt, so die Studie.
Auch bei Ausländerfeindlichkeit eine Dunkelziffer?
Ob die Ergebnisse der Leipziger Studie ähnliche Antworttendenzen (z. B. soziale Erwünschtheit) beinhalten wie die zuvor erwähnte Gender-Studie, ist schwer einzuschätzen. Die Befragungsmethode, das Paper-to-Pencil-Verfahren, scheint hierfür weniger anfällig zu sein als eine Befragung. Es kann auch vermutet werden, dass die mediale Präsenz latent und manifest ausländerfeindlicher Äußerungen von PolitikerInnen und anderer öffentlicher Personen eine ‚Salonfähigkeit‘ dieser Haltungen bewirkt hat. Dies könnte zu einem ehrlicheren Antwortverhalten geführt haben, das den Anstieg der letzten Jahre teilweise erklären könnte.
Dieser Beitrag wurde bewusst am 9. November veröffentlicht und weist Ost-West-Unterschiede nicht aus, um der ‚Verlagerung des Problems‘ keinen Vorschub zu leisten.
Quellen: