Während die australische Labor-Party vor einigen Jahren über die Einführung von LGBT-Quoten für Parteiämter sinnierte, zwei junge politische Aktivisten vor einigen Monaten in der ZEIT laut über eine Quote für junge Menschen in Parteien und Parlamenten nachdachten und in den USA fleißig ethnisch ausgeglichene Repräsentation in vielen Lebensbereichen zu schaffen, haben sich in Deutschland die Wünsche radikaler Feministinnen erfüllt: Alles dreht sich um die Frauen-Quote und kein anderes Thema hat eine realistische Chance auf professionelle Beachtung. Nach langwierigen und überwiegend unschönen Auseinandersetzungen folgte vor einigen Monaten der Beschluss des Gesetzes. Nun kommen kurz vor dem Inkrafttreten neue Diskussionen auf – typisch deutsch möchte man denken…
In Anbetracht der nahenden Frist zur Festlegung einer eignen unternehmensspezifischen Frauenquote für rund 3.500 Unternehmen zum 30. September 2015 beleuchtet die WirtschaftsWoche die Unternehmenssicht auf das Thema. Sie stellt (einmal mehr) fest, dass in den Aufsichtsräten der 200 größten Unternehmen in Deutschland bislang 18,4 Prozent, in den Vorständen 5,4 Prozent Frauen vorzufinden sind. Für die knapp 100 Publikumsgesellschaften, für die nicht die Flexi-Quote sondern die gesetzliche Mindestquote von 30% zum 1. Januar 2016 gelten wird, bedeutet dies noch ein gutes Stück Arbeit. Gleichwohl seien große Unterschiede zwischen einzelnen Unternehmen bzw. Branchen feststellbar. Die WirtschaftsWoche stellt den wichtigen Aspekt dar, dass die Quote nicht die Ursachen für die geringe Repräsentation von Frauen in Führungsgremien bekämpft. Das Magazin zitiert eine aktuelle KPMG Studie, nach der Unternehmen von Führungsfrauen erwarten eine Art “Mann plus” zu sein, also das gleiche Profil aufweisen sollten wie Männer und darüber hinaus noch „über eine ausgeprägte Sozialkompetenz verfügen, das Team bemuttern und in der Imagebroschüre hübsch aussehen“ sollen. Neben solchen überhöhten Erwartungen an weibliche Führungskräfte seien auch persönliche Beziehungen eine Aufstiegsbarriere, da sie in „Old Boys’-Networks” entstünden und somit Frauen oft verwehrt blieben. Die Quote dürfte dabei nicht weiterhelfen und könnte sogar negative Effekte haben, da sie, im Gegensatz zu einem D&I Prozess, der von unten ansetzt und alle beteiligten Personen „mitzunehmen“ versucht, häufig als erzwungen wahrgenommen wird und Frauen, die die alten Strukturen aufbrechen könnten, eher als Störung denn als Bereicherung wahrgenommen würden.
Auch das Online-Nachrichtenportal haufe.de zeichnet ein wenig begeistertes Bild der gesetzlichen Quotenregelung für Frauen. Im Artikel wird eine aktuelle Befragung der HKP-Group von 76 Unternehmen angeführt, deren Ergebnis war, dass „jeder fünfte Studienteilnehmer befürchtet, die formalen Vorgaben des Gesetzgebers nicht fristgerecht umsetzten zu können oder mit dem operativen Aufwand überlastet zu sein“. Haufe.de stellt heraus, dass die Quote bei den betroffenen Unternehmen für Unsicherheiten sorge; bei denjenigen mit der gesetzlichen Mindestquote von 30% darüber, wie man diese in der Zeit bis Januar 2016 erreichen solle und bei denjenigen mit der Flexi-Quote darüber, wie diese sinnvoll festzulegen sei. Auch die Basis dieser Festlegung, z. B. ob mit oder ohne Tochterkonzerne gerechnet, ist nicht festgelegt und sorgt für so manche Unsicherheit. Viele Unternehmen hatten darüber hinaus zum Zeitpunkt der Befragung trotz des nahenden Fristendes noch keine eigenen Ziele festgelegt (>75%), und diejenigen, die bereits Zielgrößen festgelegt haben, hatten häufig den Ist-Zustand als Zielgröße definiert. Dies verfehle zwar kurzfristig den Sinn des Gesetzes, jedoch stelle auch der Erhalt von Frauen in Führungspositionen eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar.
Der Autorin Ulrike Sosalle von der Südwest Presse hingegen geht die beschlossene Quote nicht weit genug. Sie prangert an, dass das Ergebnis in Anbetracht des langen Diskussionszeitraumes eher ernüchternd sei, da gerade einmal rund 100 Unternehmen, und auch dort nur die Aufsichtsräte, von der gesetzlichen Regelung betroffen seien; die restlichen Unternehmen dürften schließlich ihre eigene Zielmarke setzen und ein Nicht-Erreichen würde auch nicht sanktioniert. Dennoch hält die Autorin die Frauenquote in der beschlossenen Form für einen wichtigen ersten Schritt. Sie betont in diesem Zusammenhang die Funktion als „Stein des Anstoßes“, der einen Prozess des Umdenkens ins Rollen bringen könne.
Eine ganz andere und etwas ungewöhnliche Idee einer Gruppe von Wissenschaftlern um den Darmstädter Arbeitsökonomen Michael Neugart als Abwandlung der Frauenquote greift die Süddeutsche Zeitung auf. In Anlehnung an den CO2-Emissionshandel schlagen diese vor, mit Führungspositionen für Frauen zu handeln. In diesem Konzept gibt es eine festgelegte Quote für Führungsgremien, die ein Unternehmen erfüllen muss. Falls es dies jedoch nicht kann oder will, kann es sich „freikaufen“, indem es sozusagen „Verschmutzungsrechte für Männer“ von denjenigen Unternehmen einkauft, das die Quote übererfüllt. Der Preis ergibt sich auf dem Markt und ist umso höher, je weniger Frauen die anderen Unternehmen einstellen. Ein hoher Preis wäre somit wiederum ein Anreiz, insgesamt mehr Frauen in Führungspositionen zu befördern.
Diese Beiträge unterstreichen das, was in der denkwürdigen Fernsehdiskussion „Hart aber Fair“ zur Frauenquote überdeutlich wurde: Die Diskussion schießt ins Kraut und es scheint auch nach Jahren nicht möglich zu sein, sachlich und fundiert – und damit professionell – an Gender Diversity als Mehrwert-Konzept zu arbeiten. Der einseitige Blick auf isolierte Zahlen stellt hierbei genauso einen Fehler dar wie die Beteiligung von Alltagsbetroffenen ohne Fachkenntnis (gerade in der TV-Runde). Zu den bereits in anderen Beiträgen dargestellten beiden Baufehlern der Quote (1. Erzwungene Geschlechtermischung kann keinen Mehrwert bringen, wenn/weil sie nicht akzeptiert ist 2. Gesetzliche Vorgaben führen nicht zu den proklamierten Ergebnissen, was in der Bundesverwaltung unter dem BGleichG erkennbar ist und erschweren das Pipeline-Management) ist mittlerweile ein dritter hinzugekommen: Das Quotengesetz hat zu neuen Unsicherheiten und unproduktiven Belastungen geführt. Wo bleibt die deutsche Ingenieurskunst, wenn man sie braucht?