Zum 11. Mal verlieh die Lifestyle Bakery Mestermacher ihren Preis „Spitzenvater des Jahres“ – diesmal an zwei engagierte Männer. Kanzlerin Merkel betonte in ihrem Grußwort, dass sie eine „Entscheidende Rolle“ in der Gleichstellung spielten. Trotz – oder wegen – des medialen und politischen Lobs: Die Preisverleihung ist heftig umstritten.
Wer würde den Grundgedanken des Preises für Spitzenväter nicht unterstützen: moderne Männer, die sich als Väter mit großem Engagement für ihre Kinder einsetzen und ihrer Partnerin den Rücken freihalten, damit diese in ihrem Beruf vorankommen kann. Gerade unter Diversity-Praktikern gilt die Einbeziehung männlicher Mitstreiter und die ausgewogenere Verteilung von privaten und beruflichen Aufgaben als Schlüssel für produktive, integrative Gender-Diversity-Arbeit.
Muss Selbstverständliches gelobt werden?
Hohn und Spott erntet der Preis bei der kritischen Journaille ebenso wie in Userinnen-Foren. Der Tenor: Männer erhalten für grundlegende, um nicht zu sagen triviale, Selbstverständlichkeiten nicht nur überbordendes Lob, sondern auch noch einen Geldpreis. Sätze wie „Patrick übernimmt auch Hausarbeit und orientiert sich nicht an traditionellen Rollen“ und akzeptiert Frauen „mit ihrer Sozialisation, ihren Stärken und Schwächen, ihrer Kommunikationsweise, auf die er flexibel und verständnisvoll reagiert“, werden genüsslich zerpflückt und inhaltlich zerlegt.
Für Diversity-Experten entsteht hier ein Balance-Akt, der kaum zu gewinnen ist. Sie wissen um die Notwendigkeit, Kommunikationsanlässe zu schaffen und Musterbrüche hervorzuheben. Ebenso bekannt sind die historischen Hypotheken, namentlich die stereotypischen Geschlechterrollen, die Frauen stark benachteiligen. Eine Neutralisierung solcher Schieflagen kann als Fortschritt oder Meilenstein gefeiert werden – muss es aber nicht. Der Ausgleich früherer Nachteile könnte mit einfacher Anerkennung quittiert werden.
Traditionelles Famlienbild
Auch die wirtschaftliche Argumentation und die Fokussierung auf heterosexuelle Ehen ruft KritikerInnen auf den Plan. Die ZEITonline Autorin Elisabeth Rank legt den Finger in die Wunde, die für Alleinerziehende und Regenbogen-Familien aufgerissen wird. Auch bei der Süddeutschen Zeitung, die selbst einen ausgewogen-positiven Beitrag verfasst hat, spötteln die Internet-Kommentare darüber, dass Männer Preise für das bekommen, was für Frauen normal ist und schlagen noch einen Preis dafür vor, dass sie (die Männer) morgens aufstehen. Selbstüberschätzung, Placebo, subversiver Akt. Nein, die Kommentare lesen sich wirklich nicht nach einer Erfolgsstory.
Eine zu hohe Dosis
Dabei ist die Initiatorin, Prof. Ulrike Detmers, in Doppelexpertinnenstatus an dem Projekt beteiligt: Sie ist Professorin für Personalwesen (mit Gender-Schwerpunkt) und Mitunternehmerin im Traditionsunternehmen Mestermacher. Der Mittelständler backt Brot. Vollkornbrot und sogar Pita, Naan und Wraps. Bei dieser modernen Palette erscheint der Firmenslogan „Lifestyle Bakery“ beinahe schon untertrieben. Vielleicht ist dies aber auch die Erklärung für die unglückliche Dynamik. Wer solide Backwaren zum Lifestyle erhebt, dem fällt es kaum auf, wenn solides Engagement in der Familie zum Spitzenvater hochstilisiert wird. Auch im Online-Forum der „Brigitte“ entzündet sich ein Großteil der Kritik an dem „Podest“, auf das die Männer dafür gestellt werden, dass sie sich zu Selbstverständlichkeiten „aufraffen“. Ohne diese Überhöhung – und mit deutlich mehr Anerkennung für die Spitzenleistung von Frauen – käme ein Väter-Preis bei mehr Menschen gut an.
Passende Lösungen in schwierigen Umfeldern
Was lernen wir daraus? Die Gesellschaft ist durch die jahrelange Gender-Diskussion – und auch gerade wegen der Schärfe, mit der diese lange Zeit geführt wurde – hoch sensibel geworden. Der Aktionskorridor für Gender-Projekte ist damit schmaler geworden, es muss deutlich mehr auf eine austarierte Positionierung und auf saubere Formulierungen geachtet werden. Kein Problem scheint dies für erfahrene Praktiker zu sein. „Seit Jahren konzeptionieren wir Frauen-Netzwerke und Mentoring-Programme sowie Trainings und Events so um, dass sie das richtige Mischungsverhältnis von Anerkennung und Veränderung, weiblichen und männlichen Themen sowie wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten vereinen“, berichtet Diversity-Experte Michael Stuber aus seiner Arbeit. Das hört sich einfach an, aber viele wissen, dass in der Umsetzung, an der rasch 100 Personen beteiligt sind, noch viel Detailarbeit steckt. Schließlich bleibt die grundlegende Aufgabe, die auch die Schirmherrin, Familienministerin Schwesig einmal mehr beschwört: „Wir brauchen einen Kulturwandel: In der Wirtschaft und auch in der Gesellschaft.“ Insellösungen wie Schwesigs Idee der Familienarbeitszeit werden dazu allerdings wenig beitragen. Vielleicht aber ein veränderter Preis für Eltern, die Privates und Berufliches gleich souverän lösen.