Wirklich gutem Marketing gelingt es, Kühlschränke an Inuit zu verkaufen – so hieß es einmal. Geniales und zudem wohl hochbezahltes Marketing ist es, Vielfalt als „bunt“ zu spezifizieren und dies als Markenwert zu etablieren.
Zugegeben, es ist nicht leicht, für Produkte, die sich immer mehr ähneln im wahrsten Sinne des Wortes markante Slogans zu finden. Daher bedienen sich die Marketing-Abteilungen großer Firmen kreativer Agenturen. Auf Basis langwieriger Analysen und Positionierungsworkshops erhalten diese ein Briefing und dann geht es los: Man überbietet sich mit coolen Ideen und ergeht sich in einem Wettstreit, welche wohl dem Kunden präsentiert werden.
Bei einem Produkt, das in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen angeboten wird, kann es – auf dem Höhepunkt kreativer Energie – durchaus vorkommen, dass die Kreativ-Teams unter dem Kreativ-Direktor das Phänomen „Vielfalt“ entdecken. Wir sehen das gegenseitige Schulterklopfen vor unserem geistigen Auge ebenso wie das anerkennende Nicken des Key Accounters. Aber halt, eine querdenkerische Gruppe, die sich vorübergehend im Creative Lab eingeschlossen hatte, führt eine weitere Idee ins Feld. Das Lab ist als Strandbar gestaltet und die mehrfarbigen Sonnenschirme lieferten den Impuls: „Bunt“ sagte das Team mantrahaft vor sich hin.
Die Agentur unseres Markenartiklers befand sich nun in der Zwickmühle: Welchen Slogan sollte sie dem Kunden vorschlagen, um die seit Jahrzehnten etablierten Verpackungen optisch fit für 2016 zu machen? Ein Kompromiss, der gleichsam die parabelhafte Überhöhung eines Markenwertes darstellte, war nach knapp zwei weiteren Wochen gefunden: Bunte Vielfalt. Das sagt nun wirklich alles. Und es spricht sicherlich verschiedene Kundensegmente an. Die Jüngeren, die in unschuldiger Unwissenheit bunt über Bausch und Bogen toll finden. Sozusagen per Definition. Und die Älteren, die Vielfalt allein schon aus politischer Korrektheit gut finden.
Der Kunde war überzeugt. Und so finden wir verschiedenfarbige Verpackungen im Supermarktregal, die links oben gekennzeichnet sind. Bunte Vielfalt. Nur für den Fall, dass jemand die verschiedenen Farben übersehen haben mag. Diese Vielfalt ist wirklich bunt. Und zwar ganz besonders die grünen und blauen Verpackungen. Die gelbe und braune trägt nicht zur bunten Vielfalt bei und erhält keinen Adelstitel. Und dann gibt es noch mehrfarbige Verpackungen. Aber diese sind auch kein Teil der bunten Vielfalt, sondern gehören zur Nussklasse, oder sind Nuss: klasse! Als Kunden bleiben wir ratlos zurück. Aber wir rasten nicht, bis wir das Geheimnis dieses Marketings geknickt, oh Verzeihung, geknackt haben.