Positive Grundstimmung gegenüber Religionen – mit einem deutlichen „Aber“

Zu Beginn des Ramadan und im Kontext populistisch geführter Debatten über den Islam in Deutschland und Flüchtlinge unterschiedlicher Religionen hilft eine aktuelle repräsentative Umfrage, die Grundstimmung in Deutschland einzuschätzen. Derweil geht der Rechtsstreit über Kopftuchverbote auf EU-Ebene in die nächste Runde – mit Relevanz für Deutschland und Österreich.

Die Einstellung der Menschen in Deutschland gegenüber Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften sowie gegenüber Konfessionslosen ist mehrheitlich positiv. Das gilt grundsätzlich auch für Muslime, denen jedoch häufiger skeptische Einstellungen entgegengebracht werden. Dies sind Ergebnisse einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zum Auftakt des Themenjahres „Freier Glaube. Freies Denken. Gleiches Recht.“ Für letzteres spricht sich eine große Mehrheit von 75% für alle religiösen Gruppen aus. „Diese Zustimmung dürfte sicherlich schrumpfen, wenn diese Gleichberechtigung konsequent durchdekliniert würde“, kommentiert Diversity-Experte Michael Stuber diesen Wert. Eine umfassende Gleichberechtigung würde seiner Meinung nicht nur die Religionsausübung, sondern beispielsweise auch die Anerkennung von Feiertagen und eine gleiche Berücksichtigung in der Bildung erfordern. „Diese Aspekte würden, wenn überhaupt, keine so große Mehrheit erhalten“, fügt Stuber besorgt hinzu. Als Grund für die Schieflage sieht er das fehlende Bewusstsein für die vielen christlichen Privilegien und Sonderregelungen, die als allzu normal gelten.

Tatsächlich hat die ADS-Studie eine Reihe konkreter Elemente abgefragt und meist niedrigere Zustimmung gefunden. Mehr eigenständige Bestattungsplätze finden eine gleichhohe Zustimmung (76 %) wie das allgemeine Gleichberechtigungsziel. Gut zwei Drittel (jeweils 69 Prozent) sprechen sich dafür aus, häufiger als bisher Religionsunterricht an Schulen für Angehörige kleinerer Religionsgemeinschaften anzubieten und Essenvorschriften nicht-christlicher Konfessionen etwa in den Kantinen von Unternehmen zu beachten. „Das sind die Bereiche, in denen sich der Mainstream nicht gestört fühlt“, kommentiert Stuber. Tatsächlich finden andere Maßnahmen keine mehrheitliche Zustimmung. So sind weniger als die Hälfte der Befragten (48 Prozent) dafür, dass in Deutschland der Bau religiöser Gebäude und Gebetsräume für nicht-christliche Religionsgemeinschaften erleichtert wird. Dass Angehörige religiöser Minderheiten an wichtigen Feiertagen ihrer Religion arbeitsfrei bekommen können, unterstützen nur rund vier von zehn Befragten (42 Prozent).

Zum Thema religiöser Symbole an öffentlichen Schulen zeigt sich ein gespaltenes Bild. Jeweils eine knappe Minderheit spricht sich dafür aus, dass muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch (42 vs. 57 Prozent) oder christliche LehrerInnen in Amtstracht (44 vs. 56 Prozent) unterrichten können sollten. Die Kippa findet ein klein wenig mehr Zuspruch, aber ebenfalls keine Mehrheit (47 vs. 52 Prozent). „Kopftuchverbote für Bewerberinnen verstoßen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – und behindern letztlich Integration“, meint dazu auch die Leiterin der ADS, Christine Lüders. Dies ist bewusst vorsichtig formuliert, denn der Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Religion und Weltanschauung kann begrenzt und gegen andere Interessen abgewogen werden.

So haben Gerichte bereits entschieden, dass der Glaube keine Rechtfertigung für die Benachteiligung von Schwulen oder Lesben ist. Aktuell verhandelt der EUGH die Entlassung einer belgischen Muslima, die als Rezeptionistin begann, auch am Arbeitsplatz Kopftuch zu tragen. Der Arbeitgeber sah hierin ein Verstoß gegen die Anforderung nach religiös und weltanschaulich neutralem Auftreten, das für alle Beschäftigten gleichermaßen gälte. Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs hat dies bei der jüngsten Verhandlung für zulässig gehalten. Andererseits möchte die EU den nationalen Gerichten keine allzu engen Vorgaben auferlegen. Es wird daher erwartet, dass Urteil, das in einigen Monaten erwartet wird, Interpretationsspielräume lassen wird. „Damit würden mehr ausgrenzende Regelungen begünstigt“, sorgt sich Stuber. Denn nachvollziehbare Gründe lassen sich leicht konstruieren und Kundenbeschwerden können im aktuellen Klima leicht provoziert werden.

Auch die ADS Studie zeigt, dass das Klima nicht so positiv ist, wie die allgemeinen Zahlen vermuten lassen. Die Hälfte der Befragten befürchtet, dass die stärker werdende religiöse Vielfalt infolge des Zuzugs von Geflüchteten zu Konflikten in der Gesellschaft führen könnte. Andererseits sieht ein Drittel der Befragten (33 Prozent) darin eher eine Bereicherung für die Gesellschaft. Weitere 15 Prozent wertet dies sowohl als Bereicherung als auch als potenzielle Konfliktursache. Dass hiermit vor allem Unwohlsein in Richtung Islam verbunden ist, zeigen die Zahlen, die für andere Religionsgemeinschaften positiver ausfallen: Einerseits gibt eine Mehrheit (64 Prozent) an, positiv von Menschen muslimischen Glaubens zu denken. Andererseits sagt immerhin ein Drittel der Befragten ein eher (25 Prozent) oder sogar sehr negatives Bild (8 Prozent) zu haben.

Sorgfältigere Medienberichte und klarerer Integrationssignale – wie z. B. die Anerkennung des Kopftuches und hohe Anforderungen an ein Verbot – können hier wichtige Elemente sein, die noch fehlen.