Positive interkulturelle Erlebnisse bauen Vorurteile ab. Auf diesem früheren Studienergebnis baut ein Forschungsprojekt auf, das die Rolle von Nationalität in den zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Expats untersuchte. Es fand klare – und überraschende – Zusammenhänge.
Sie bietet eine ideale Testumgebung: Die Expat-Gemeinschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort wandten Forscher ein mehrstufiges Studiendesign an, das 63 Supervisor und 221 Untergebene umfasste, die größtenteils von außerhalb der VAE kamen (94 Prozent bzw. 95 Prozent aus Ägypten, Indien, dem Irak, dem Iran, dem Jemen, Marokko, Pakistan, Palästina, den Philippinen, Sri Lanka und Syrien). Etwa die Hälfte der Beziehungsdyaden zwischen Vorgesetzten und Untergebenen (46 Prozent) stammten aus demselben, 54 Prozent aus verschiedenen Herkunftsländern.
Einfluss der Nationalität auf die Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen
In einem solchen multikulturellen Umfeld konnten die Forscher untersuchen, ob die Nationalität die Qualität der menschlichen Beziehungen beeinflusst, wenn der Kontext mehr oder weniger kulturell vielfältig ist. Sie fanden heraus, dass die Nationalität tatsächlich eine Rolle in den Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitgliedern spielt – allerdings mit Abstrichen. Die Qualität der Beziehungen, die einzelne Untergebene zu ihren Vorgesetzten haben, wird positiv und signifikant von der gleichen Nationalität beeinflusst, allerdings nur dann, wenn ihre Arbeitsgruppe kulturell sehr vielfältig ist. Wenn eine Arbeitsgruppe eher homogen ist, wird der Einfluss vernachlässigbar.
Soziale Identität und “schwarze Schafe”
Die Theorie der sozialen Identität legt nahe, dass ein vielfältiges Arbeitsumfeld mit größeren Unsicherheitsgefühlen verbunden sein könnte – was das Bewusstsein für oberflächliche Ähnlichkeit und unbeabsichtigte Versuche, sich auf dieser Basis zu verbinden, schärft. Für den Fall homogenerer Expat-Gruppen erwähnen die Forscher die Möglichkeit des so genannten “schwarzen Schafs-effekts”: Personen, die ungeliebte Gruppenmitglieder eigener Nationalität kritischer beurteilen als Gruppenmitglieder fremder Nationalität.
Jenseits des Offensichtlichen: kontextualisierte Diversitätsdynamik
Die Studie trägt zu einem Forschungsschwerpunkt bei, der bestehende Mythen über gruppeninterne Unterstützung und Förderung in Frage stellt. So sollen Frauen im Top-Management angeblich nicht nur mehr Frauen für das Unternehmen gewinnen, sondern auch ins Management fördern – und die Gleichstellung insgesamt unterstützen. Eine groß angelegte Studie zeigt, dass zumindest letzteres in Bezug auf Lohngleichheit nicht zutrifft. Die Studie spiegelt weitere Ergebnisse der o.g. Expat-Studie für den Genderbereich wider.
Lesen Sie hier eine Zusammenfassung
Die kombinierten Erkenntnisse beider Studien sind zweigeteilt:
- Generell ist es wichtig, mehr Bewusstsein für Verzerrungen zu entwickeln, die – nicht selten – in D&I Narrativen eingebettet sind. Einige von ihnen wirken als toxische Elemente, andere erzeugen blinde Flecken und lenken Aufmerksamkeit und Energie von wichtigen Themen in andere Bereiche, in denen geringe bis keine Auswirkungen auf das System entstehen.
- Die Studien bestätigen auf eine neue Art und Weise, dass den verschiedenen Ebenen der Organisationskultur größere Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. Diese beinhalten beobachtbare Verhaltensweisen, proklamierte Werte sowie ihre Wahrnehmung und Interpretation, und – am schwierigsten – die unsichtbaren Normen und ungeschriebenen Gesetze, die meist die stärksten Hindernisse für D&I sind.
Weiterführende Literatur
Kopf- und Herzreaktionen auf den Nationalismus (englischer Beitrag)
Wie man Traktion durch Bias-Lernen schafft
Der Schaden eines simplistischen Bias-Trainings (englischer Beitrag)
Quelle
Shaun Pichler, Beth Livingston, Andrew Yu, Arup Varma, Pawan Budhwar, Arti Shukla, (2019): Nationality diversity and leader–Member exchange at multiple levels of analysis: Test of a cross-level model. Equality, Diversity and Inclusion: An International Journal, Vol. 38 Issue: 1, pp.20-39