Dieser Moment, wenn Sie einen Trend entdecken und glauben, dass er es verdient, von Ihrem Ruhm und Ihrer Autorität gefördert zu werden. Doch schon am nächsten Tag hören Sie, dass der Trend vor 20 Jahren begann und Sie bisher Teil des Problems waren.
Es geschah nahezu jedes Jahr aufs Neue: Eine Institution – mit Macht und Möglichkeiten – hörte von Diversity und erkannte sofort die damit verbundenen Chancen. Im vergangenen Jahr war es z. B. BlackRock und der European Round Table of Industrialists. In diesem Jahr sind es Heidi Klum und – erneut – BlackRock. Zusätzlich vergeht kein Jahr, in dem nicht eine der führenden Beratungsfirmen – meist Strategieberater oder Executive Search Berater – ein Dossier, eine Studie und ein passendes Tool für Diversity & Inclusion vorstellt. Viele dieser Initiativen haben 2 Dinge gemeinsam:
- Die Beteiligten bemerken nicht, dass sie weit hinter dem Trend zurückliegen
- Sie realisieren nicht, dass sie Teil des Problems waren, das D&I seit jeher bearbeitet.
Wenn Heidi Klum versucht, über Diversity zu sprechen …
In seltener Einigkeit kommentieren die Medien Heidi Klums jüngste Bemühungen, ihre TV-Show “Germany’s Next Top Model” mit Diversity-Flair neu zu positionieren, als Parodie ihrer selbst. Wie sonst kann es gedeutet werden, wenn “diverse” Kandidatinnen einem Format Farbe, Authentizität oder Extravaganz verleihen, das vor allem für seine strenge Einheitlichkeit bekannt ist?
Was die D&I-ExpertInnen beunruhigen sollte, ist die korrumpierende Wirkung, wenn Diversity in beliebigen Kontexten und in stereotyper Form eingesetzt wird: Kandidatinnen werden auf ihre Andersartigkeit reduziert und Differenz wird überbetont, was ebenso beleidigend ist wie der ansonsten stark normative Ansatz der Show.
Wenn Executive Search Unternehmen versuchen, über Diversity zu sprechen…..
Als der politische Druck für mehr Vielfalt in Vorständen und Aufsichtsräten größer wurde, wandten sich die Top-Manager an diejenigen, auf die sie sich seit Jahrzehnten verlassen hatten: Headhunter. Allerdings kritisierten sie sie nicht dafür, dass sie zuvor nicht den Talentmarkt abgedeckt hatten und nur einen Kandidatentyp, idealerweise aus ihren Netzwerken, geliefert hatten. Sie baten um Hilfe und belohnten die Personalberater mit einem neuen Millionengeschäft. Über Nacht waren diese zu Experten bei der Suche nach weiblichen und multinationalen Top-Kandidaten geworden.
Motiviert von so viel Vertrauen begannen sodann selbst Headhunter, die früher für ihren ebenso begrenzten wie überschätzen Interview-Ansatz bekannt waren und nie interne D&I-Maßnahmen erwogen hatten, Ratschläge für D&I zu veröffentlichen. Noch heute verfügen nur wenige Personalberater über eigene D&I-Programme während viele Diversity-Instrumente anbieten.
Wenn BlackRock versucht, über Diversity zu sprechen…..
Eine weitere Institution, die traditionell als Hemmnis für Diversity angesehen wurde, sind Investmentgesellschaften. Ihre branchenspezifische Ausrichtung auf kurzfristige, maximierte Gewinne sowie steigende Aktienkurse machten sie in vielen Umfeldern zur bösen Eminenz. Zwischenzeitlich zeigt eine wachsende Zahl von Untersuchungen, auch von Investmentbanken, dass Diversity & Inclusion gut für Rentabilität und Performance ist. Da Vermögensverwalter diese Sprache verstehen setzen sie sich nun für mehr Frauen in der Finanzwelt ein und setzen das D&I-Standardportfolio um.
BlackRock, die mit Abstand größte börsennotierte Vermögensverwaltungsgesellschaft, begann darüber hinaus, sich für die Vielfalt im Management der Konzerne zu interessieren, in die sie investieren. Die erste Verlautbarung, Anfang 2018, wurde kaum von Experten oder Medien wahrgenommen. Deutlichere Worte führten dieses Jahr nunmehr zu heftigen Reaktionen. Interessanterweise bezieht sich die Kritik nicht auf die aus D&I-Sicht zweifelhafte Rolle von Investmentmanagementfirmen wie BlackRock. Ihr CEO, Larry Fink, hatte mit seinen Diversity-Aussagen gleich mehrere rote Linien überschritten und damit polarisiert. Von jubelnder Unterstützung auf der einen bis zu entrüsteter Abwehr auf der anderen Seite.
Lesen Sie die vollständige Analyse der Aussagen von Larry Fink und der Reaktionen.
Wie man über Diversity spricht…..
Im Unterschied zu den Anfängen von D&I ist das allgemeine Klima in Bezug auf Vielfalt, Chancengleichheit oder Integration deutlich konfrontativer geworden. Vielerorts ist es wieder akzeptiert, sich offen (und sogar scharf) gegen die Grundgedanken von Diversity, Anti-Diskriminierung oder Einbeziehung zu äußern. Dies hat erhebliche Auswirkungen darauf, wie D&I-PraktikerInnen ihre Botschaften gestalten sollten. Die Gegenreaktionen auf BlackRocks Initiative zeigen, wie D&I-Kommunikation erfolgreich sein kann:
- Business-Fokus: Im wirtschaftlichen Kontext sollten D&I geschäftlich – nicht sozial und schon gar nicht politisch – begründet werden
- Mehrwertfokus: D&I sollte als dedizierter Beitrag zu bestehenden Business-Prioritäten – nicht als Beiwerk zu anderen Trends – positioniert werden
- Zeitlicher Fokus: Die Kommunikation von D&I sollte im (regelmäßigen) Kontext anderer Geschäftsthemen erfolgen – nicht zu ‚gesellschaftlichen‘ Anlässen
- Themenfokus: D&I-Inhalte sollten eigenständig sein und nötige Veränderungen offen und glaubwürdig beschreiben
Lesen Sie, wie diese Punkte im Fall von BlackRock zu vermeidbaren Fehlern führten