Der Ansatz des Workshops, der vom Kölner Diversity-Pionier Michael Stuber geleitet wurde, bestand darin, grundlegende Zusammenhänge zwischen sexueller Orientierung und der Arbeitsplatzsituation darzustellen. Weiterhin sollte beleuchtet werden, inwieweit Bewusstsein hierfür bei Schwulen und Lesben oder bei heterosexuellen Menschen besteht bzw. wie dies ggf. geweckt werden könnte. Insgesamt sollte das Ziel sein, die positive, starke oder stolze Seite der schwul-lesbischen Arbeitsplatzthematik im Unterschied zu sonst häufigen Diskriminierungs- und Ausgrenzungsüberlegungen vorzustellen.
Einführung
Zahlreiche, gängige Äußerungen von Homosexuellen lassen darauf schließen, dass sie keinen Zusammenhang zwischen ihrer sexuellen Orientierung und ihrem Job sehen. Dies kann sowohl auf internalisierten Problemen mit dem Thema als auch auf der gesellschaftlichen Tabuisierung beruhen. Über Marktforschung und Befragungen wurden in diesem Zusammenhang meist gegenläufige Tendenzen gefunden: Wunsch nach Normalität, Integration und Nicht-Diskriminierung bei gleichzeitigem Streben nach besonderer Berücksichtigung von Bedürfnissen und/oder ausgeprägter Intimsphäre. Zur Aufarbeitung wurde folgende Vorgehensweise vorgesehen und wird dokumentiert:
1. Was unterscheidet Schwule und Lesben von anderen bzw. was verbindet sie alle?
2. Welche Zusammenhänge dieser Merkmale / Besonderheiten bestehen zum Job?
3. Wie kann Bewusstsein bei allen Beteiligten für diese Zusammenhänge geweckt werden?
4. In welchem Aktionsfeld sind welche Entwicklungsansätze erfolgversprechend?
Verbindende Elemente zwischen Homosexuellen / Unterschiede zu Heterosexuellen
Um Aussagen über den potentiellen Einfluss sexueller Orientierung auf den Arbeitsplatz treffen zu können, muss zunächst festgestellt werden, welche (beschäftigungsrelevanten) Gemeinsamkeiten Schwule und Lesben (im Unterschied zu Heterosexuellen) aufweisen. Hierzu wurden in der Runde Vorschläge und Beobachtungen gesammelt. Genannt wurden folgende Punkte:
a) Ausgeprägter Wunsch nach / Bewusstsein für Privatheit
b) Große Zurückhaltung / Verstecken
c) (wahrgenommene) Benachteiligung
d) (häufiges) Stigma- / Stress-Management
e) Persönliche Erfahrungen (besonderer Art)
f) Soziale Erfahrungen, soziale Kompetenz
g) Besondere Sensibilität
h) Andere familiäre Situation
i) Hohe Distanz, ausgeprägte Sachlichkeit
j) Andere Kommunikation / Umgang
k) Besonderes Selbst–Gefühl / Bewusstsein
l) Hoher wirtschaftlicher Druck
m) Überkompensation
Während des Workshops wurde die Universalität der Beobachtungen nicht hinterfragt. Für einige Punkte (a, b, i, l, m) ist diese jedoch sicherlich nicht gegeben, sondern sie sind von der jeweiligen persönlichen Situation abhängig. Für die anderen kann argumentiert werden, dass sie alle direkt oder indirekt mit dem Coming-Out-Prozess zu tun haben und / oder in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Erfahrungen stehen.
Gibt es Zusammenhänge schwul-lesbischer Besonderheiten mit der Arbeitsplatzsituation?
Es wurde vorgestellt, wie im Gespräch mit Personalmanagern auf einige einfache (wenn auch nicht wissenschaftlich bewiesene) Mechanismen hingewiesen werden kann:
• Der Coming-Out-Prozess bedeutet einen biographischen Bruch, der nicht ohne Folgen bleiben kann. Auf der einen Seite kann er durch eine Neudefinition (Identifikation) das (Selbst-) Bewusstsein eines Menschen schärfen, auf der anderen mag er durch den Verlust von Wertesystemen zu (einem Gefühl der) Minderwertigkeit oder Haltlosigkeit führen.
• Eine latente Diskriminierung ist allen Homosexuellen bekannt bzw. bewusst und erzeugt ein subtiles Gefühl der sozialen Unerwünschtheit. Dies kann sowohl in Stressreaktionen resultieren (verstecken, verstellen, verkrampfen) wie auch in politische Aktivität (Konfrontation, Engagement außerhalb des Jobs).
• Ausgrenzende Mechanismen führen typischerweise zu Gruppenbildungen (Schicksalsgemeinschaften), und damit zu „Rückzugserscheinungen“ (Ghettoisierung). Sie können aber auch zu (Über-) Kompensationen führen, die der Bestätigung der eigenen und externen Wertschätzung dienen.
Mit derartigen Darstellungen kann im Rahmen eines weiter gefassten Diversity-Ansatzes klargemacht werden, dass Homosexuelle durchaus besondere Bedürfnisse haben, die direkt mit ihrer sexuellen Orientierung verbunden sind. Diese Tatsache wird vielfach ignoriert oder bestritten.
Dieser Punkt löste eine generelle Diskussion über die Verknüpfung wirtschaftlicher Aspekte mit emanzipatorischen Forderungen aus.
Generell wurde hinterfragt, ob das Coming-Out tatsächlich Auswirkungen auf Homosexuelle hat – vor allem vor dem Hintergrund des immer unproblematischeren Prozesses in der heutigen Zeit. Dieser Einschätzung wird im Rahmen dieser Nachbereitung ausdrücklich widersprochen.
Auch wurde kritisiert, dass sich der Ansatz nur auf ökonomische Sichtweisen stützt und auf US-amerikanischen Ansätzen basiert. Hierzu wurde ergänzt, dass die Überlegungen alle bisherigen (Integrations-) Ansätze um wirtschaftliche Aspekte ergänzen und dadurch Unternehmen mehr (besser) ansprechen als bisherige Menschenrechts-, psychologische oder soziologische Forderungen. Hierin wird auch die Stärke gesehen. Aus den USA werden lediglich Anregungen verwendet; die eigentlichen Konzepte wurden vollständig im Rahmen der deutschen und europäischen Arbeit entwickelt.
Eine Ähnlichkeit mit den Situationen und Besonderheiten anderer gesellschaftlicher Gruppen wurde genannt. In der Tat wird diese Sichtweise im Rahmen des ganzheitlichen Diversity-Ansatzes von Michael Stuber betont.